Radtour 2004: Annecy – Nizza

Die Teilnehmer:
Karl-Heinz Bühler, Rainer Booz, Manfred Heinisch, Dieter Fahrion 
und Olaf Escher   (alle aus Denkendorf, bei Esslingen)


Reisebericht über unsere Radtour von 23.06.-26.06.2004 durch die französischen 
Alpen von Annecy zur Cote d' Azur nach Nizza über eine Gesamtlänge 
von rd. 420 km (Dauer: 4 Tage).


Nachdem wir bereits im vergangenen Jahr bei unserer Radtour von Ulm nach Lugano die Freude an den Alpenpässen entdeckt hatten, war für uns auch in diesem Jahr wieder klar, dass wir uns wieder steile Aufstiege antun und herrliche Abfahrten genießen wollten.

Unser Ziel in diesem Jahr: die französischen Alpen mit ihren Pässen, die nicht zuletzt durch die "Tour de France" große Berühmtheit erlangt haben. Es war schwierig alle Radler zeitmäßig unter einen Hut zu bekommen und so konnten wir nur einen Teil der "Route des Grandes Alpes" befahren (schade!).

Der detaillierte Tourbericht zur "Route des Grandes Alpes" von Hubert Becker hat uns die Planung sehr erleichtert.

Auch wenn wir die Tour gegenüber der offiziellen Route stark verkürzen mussten, kehrten wir beeindruckt von der herrlichen Landschaft zurück. Die Anreise erfolgte mit dem Auto. Dieses Auto war auch als unser Begleitfahrzeug während der Tour eingesetzt. Alle 5 Teilnehmer wechselten sich während der Etappen als Chauffeure ab. Dabei fiel es manchmal wirklich schwer, vom Rad zu steigen und statt dessen das Auto zu fahren!


Die einzelnen Etappen:

1.Tag: Annecy – St. Michel de Maurienne (121 km)

2.Tag: St. Michel de Maurienne – Guillestre (110 km)

3.Tag: Guillestre - St-Etienne-de-Tinee (89 km)

4.Tag: Auron – Nizza (98 km)


Annecy – St. Michel de Maurienne (121 km)

Nachdem wir am Vorabend die Anreise von Denkendorf zwar mit Verspätung, aber immerhin noch so rechtzeitig geschafft hatten, dass wir in der Nacht noch ein Hotel gefunden hatten, starten wir in Annecy (450m, rd. 50 km südlich des Genfer See), zunächst am linken Ufer des Sees entlang in Richtung Albertville. Dunkle Wolken am Himmel, Gegenwind und dann noch leichter Regen dämpften die anfängliche Euphorie etwas.

Letzter Blick in Karte ...

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.. und los geht's
Nach dem Einrollen auf ebener Strecke steht nach rd. 30 km die erste Bergwertung bei Faverges an. Von hier aus geht es über der Col de Tamié (907m) nach Fontenex. Der Col de Tamié, ein Berg der leichteren Kategorie, ist die Vorstufe zu den Pässen die noch folgen werden. Das Wetter bessert sich und weiter geht es nach Süden in Richtung Aiton. Von dort aus nach links bis nach St. Jean de Maurienne in das sich langsam verengende Tal der Arc hinein. Die großen Berge rücken so langsam näher und werden mit ersten respektvollen Blicken bedacht. Bei der Ankunft hängen die Wolken tief und von der Strecke des nächsten Tages und den Bergen, die uns am nächsten Tag erwarteten, ist nichts zu sehen.
Der Himmel wird immer düsterer und bei nun einsetzendem Regen sind die letzten 10 Kilometer bis nach St. Michel de Maurienne (720m), das am Fuß des Col du Telegraphe liegt, kein besonderes Vergnügen mehr. Zumal das letzte Stück der Strecke an der vielbefahrenen A43 entlang führt und eine Menge Lastzüge dicht an uns vorbei donnert. 

Vielleicht wäre es besser gewesen, diese Straße zu meiden und den Umweg über den Col de Madeleine zu nehmen – ruhiger auf alle Fälle, aber mitten durch die Wolken, bei immer schlechter werdender Sicht, wäre auch dies kein Vergnügen gewesen.


Kleine technische Schwierigkeiten am Pedal
Zum trüben und regnerischen Abschluss passt dann auch noch das Ausscheiden der deutschen Fußballer bei der Europameisterschaft in Portugal. Naja, zumindest die Wettervorhersage aus dem Internet verspricht für die kommenden Tage Besserung.

St. Michel de Maurienne – Guillestre (110 km)

An diesen Tag stehen zwei bekannte Pässe auf dem Programm: der Col du Telegraphe und der Col du Galibier.


Schnell noch etwas Luft in Olaf's Reifen -

und eine Füllung für Rainer's Bakpack
Am Morgen keine Spur mehr von den dunklen Wolken des Vortages. Erster Sonnenschein und auflockernde Bewölkung lassen hin und wieder schon einen Blick auf die militärische Anlage des Telegraphe mit ihren markanten Sendemasten zu. Diesen verdankt der Berg seinen Namen. 
Von St. Michel de Maurienne (720m) führt die Strecke über 12 km auf die Passhöhe von 1.570m. Die Temperaturen sind angenehm und die Sonne gewinnt endgültig die Oberhand über die Wolken. Rainer erreicht als erster die Passhöhe und macht es sich im Campingsessel bequem bis die anderen nach und nach eintreffen. Eine kurze Rast auf der Passhöhe und ein paar mitleidige Blicke von uns zu einer Gruppe Soldaten, die mit Sack und Pack zu Fuß den Berg herauf "gestürmt" waren.




Der Col du Telegraph

Warten im Liegestuhl bis die 
Gruppe wieder komplett ist.
Über eine kurze Abfahrt wird das nette Bergdorf Valloire (1.400m) erreicht, wo der rd. 18 km lange Anstieg zum Col du Galibier beginnt. Also Olaf sein verschwitztes Trikot wechseln will, stellt er fest, dass sein Gepäck nicht im Auto ist. Es bleibt ihm nichts anderes übrig als mit dem Auto zurück nach St. Michel de Maurienne zu fahren, wo der freundliche Hotelier die vergessenen Sachen bereits beiseite gestellt hat. 
Die anderen fahren weiter und da die Straße noch einige Kilometer moderat ansteigt, kann man die herrliche Landschaft genießen. Nach ca. 9 km, vor dem großen Anstieg auf den Col, lädt ein Restaurant zur Einkehr ein. 
Dieser Verlockung wird aber stolz widerstanden und weiter geht es in den Kehren die steile werdende Straße hinauf, auf der die berühmten Namen der  Rennfahrer der Tour de France aufgemalt sind. Dass diese mit weitaus höherer Schlagzahl den Berg hochgezogen sind, macht schon ein wenig neidisch. Aber abgesehen von der besseren Kondition der Profisportler sind wir ja auch mit Treckingrädern unterwegs– und sind unter all den anderen Radlern auch die Ausnahme. Das Rennrad scheint hier wohl das standesgemäße Sportgerät zu sein.
Für die letzten Serpentinen vom Tunnel, der unter dem Pass hindurchführt, bis zum höchsten Punkt der Tour an diesem Tag, werden nochmals die letzten Kräfte mobilisiert. Vorbei an hohen Schneemauern geht es nun mit endgültig schwerem Tritt zur Passhöhe von 2.645m. Es folgt das  obligatorische Passfoto und ein kurzer Plausch mit anderen Radfahrern. Rainer wird von den Radlerkollegen mit einem belustigtem Blick bedacht. Er fährt aufgrund seiner Probleme mit dem Fuß generell in Sandalen und ist nahezu der Einzige hier oben, der ohne Klickpedale unterwegs ist. 


Danach heißt es Jacken und lange Hosen anziehen - und Rainer tauscht sogar seine luftigen Sandalen gegen geschlossene Schuhe!  Wir haben zwar in der Zwischenzeit bestes Wetter mit herrlichem Sonnenschein, aber in dieser Höhe pfeift der Wind doch ziemlich kalt und die lange Abfahrt über 28km hinunter nach Briancon (1.350m) steht bevor.

Ursprünglich war vorgesehen, in Briancon zu übernachten. Da es aber erst Nachmittag ist und uns noch genügend Zeit bleibt um weiterzufahren, geht es nach einem kurzem Einkauf im Supermarkt und anschließendem Picknick auf einer Wiese bei Briancon weiter nach Guillestre. 

Die Strecke führte über die stark befahrene N94 nach Mont Dauphin, vorbei an der gleichnamigen Festung, die uns den Weg nach links hoch in Richtung Guillestre (1.070m) weist. Viel schlimmer noch als der starke Verkehr sind der grausame Gegenwind und das "wellige" Gelände, die beide zusammen die restlichen 50 km recht schwer machen. Der Col de Izoard wird dabei aus Zeitgründen umfahren (wäre bei dieser Streckeneinteilung auch zuviel gewesen).

Am Abend zeigen sich dann auch endgültigen die Auswirkungen des schönen Sommertages: mit soviel Sonne hatten alle nicht gerechnet und an Knien und Armen sind deutliche Spuren von Sonnenbrand zu sehen.


Guillestre - St-Etienne-de-Tinee (89 km)

Die Stimmung ist gut. Nach einem gemütlichen Abend in einem kleinen Restaurant in Guillestre (1.070m) steht nun die Etappe auf den höchsten befahrbaren Alpenpass in Europa auf dem Programm. Es geht nun zunächst über den Col de Vars zum Col de la Bonette mit einer Höhe von 2.802m. 
Blauer Himmel und angenehme Temperaturen ermöglichen das Frühstück im Garten des Hotels.

Um 9 Uhr geht es dann zunächst geht es vom Ortsende ins Dorf hinunter und von dort direkt zur Auffahrt nach Vars-le Claux. Hinauf in die schöne Bergwelt, die sich bei dem strahlenden Sonnenschein von ihrer besten Seite zeigt. Aus den verschiedenen Kehren bietet sich ein grandioser Blick zurück ins Tal und auf die monumentale Festungsanlage von Mont Dauphin und nach Guillestre.

Im Skiort Vars-le Claux (1.800m) eine kurze Verpflegungspause. Hier stehen große Hotel- und Appartementklötze im kaum belebten Ort, die auf die turbulente Winterzeit mit den Skifahrern warten. Die Auffahrt zum Col de Vars (2.109m) geht recht flott, dank der fairen Strecke ohne grausame Steigungen. Vom Col de Vars geht es nun über 24 km hinunter nach Jausiers (1.213m). Bei bestem Wetter ist die Abfahrt von einem Pass wie immer ein Genuss. Doch im Tal unten bremst der Gegenwind die Abfahrt etwas und es heißt wieder arbeiten, um flott nach Jausiers zu kommen.
In dem kleinen Ort, von dem aus die Auffahrt zum Col de la Bonette beginnt, scheinen alle Einwohner Siesta zu halten. Die Suche nach einem Restaurant, in dem wir noch eine Mahlzeit vor dem Aufstieg auf das Dach unserer Tour einnehmen wollen, gestaltet sich äußerst schwierig. Eigentlich recht unverständlich, denn wenn es nach uns ginge, hätten wir Schwaben schon längst eine Geschäftsidee umgesetzt und an diesem zentralen Ort eine Gaststätte eröffnet, wo die Radler die einen solch großen Anstieg vor sich haben, mit Nudelgerichten versorgt würden – oder diejenigen, die von oben kommen, eine Erfrischung serviert bekommen. Schließlich klappt es dennoch mit einer Mahlzeit, auch wenn es anstatt der erhofften Nudeln "nur" ein Salatteller ist .
Schließlich sind wir so weit, dass wir um 15 Uhr gestärkt starten und den Aufstieg über rd. 25 km und 1.600 Höhenmeter angehen können. Die zwischenzeitlich aufgekommenen Bedenken, ob die Strecke bis zum Abend noch bewältigt werden kann, werden verdrängt. 
Die Sonne scheint inzwischen kräftig und die Hitze macht anfangs etwas zu schaffen. Vielleicht ist dies auch der große Respekt vor der zu bewältigenden Höhe. Der Streckenverlauf ist allerdings moderat und so kann sogar in der beeindruckenden Landschaft noch die Schönheit dieser Gegend bewundert werden. In der Abendsonne wird die Passhöhe erreicht und die Murmeltiere, die sich hier oben in den Südhängen eingenistet haben, haben uns bis hierher mit ihren aufmunternden Pfiffen begleitet.
Die letzen Meter von der Passhöhe bis zum Gedenkstein, der die Höhe von 2.802m anzeigt, sind recht steil und verlangen nochmals alle Kräfte.
 
Für das Fahrrad von Olaf ist dies allerdings zuviel. Nach einem kräftigen Tritt in die Pedale verabschiedet sich Kette und reißt. Für die letzten Meter bis zum obligatorischen Foto bleibt nichts anderes übrig als zu schieben. Trotzdem ist hier die Tour an diesem Tag für ihn hier noch nicht zu Ende. Ohne Kette – dafür mit funktionierenden Bremsen – geht er die 25km lange Abfahrt "locker" an.

Es beginnt eine herrliche Abfahrt, die uns auf steil abfallender Straße entlang dem Tal der Tinee hinunter in Richtung St.-Etienne-de-Tinee (1.347m) führt. Voller Konzentration und immer die Finger an den Bremshebeln düsen wir ins Tal hinunter. 
Eine riesige Schafherde, die zu dieser Zeit gerade über eine Brücke getrieben wird und jedes Durchkommen verhindert, führt zu einer willkommenen Zwangspause, in der sich die vom Bremsen verspannten Oberkörper und die Arme wieder erholen können. 

Bereits bei der Auffahrt zum Col de Bonette stellte sich heraus, dass in St.-Etienne-de-Tinee kein Zimmer zu bekommen war; alle Telefonate mit den entsprechenden Anfragen waren erfolglos. Das einzige Hotel, das noch bereit war, uns fünf Radler aufzunehmen, lag im Skiort Auron, der rd. 6km entfernt - und was noch schlimmer war –rd. 400 m höher liegt. Ein Glück, dass wir das Begleitfahrzeug dabei haben. 
Schnell die Räder auf die Träger gespannt und die "Zusatzstrecke" mit den Auto bewältigt. Rainer (der Mann mit den Sandalen) allerdings, der an diesem Tag wohl einen Müsliriegel mehr als alle anderen zu sich genommen hat, besitzt noch genügend "Körner" um sich diesen Anstieg auch noch anzutun.

Die Spaghetti, die unser "Reiseleiter" Manfred für uns zum Abendessen organisiert, sind einfach genial. Und angesichts der Strecke, die uns am nächsten Tag ja nur noch bergab in Richtung Mittelmeer führen wird, fällt die "Nachbesprechung" bei ein paar Gläschen Wein an diesem Abend etwas ausführlicher aus als an den vorherigen Abenden.


Auron - Nizza (98 km)

Der Tag steht unter Motto "Ausrollen nach Nizza". 

Doch bevor unser "Express" bei schönstem Wetter wieder losrollen kann, muss noch Olaf's Panne vom Vortrag behoben werden. In der Morgensonne wird die Terrasse des Hotels zu einer Werkstatt umfunktioniert und die Kette wieder repariert. 

Derweil versucht Rainer einen persönlichen Geschwindigkeitsrekord auf der Abfahrt von Auron nach St.-Etienne-de-Tinee zu aufzustellen. Doch seine Bestzeit vom Col de Galibier mit 83 kmh ist trotz all seiner Anstrengungen nicht zu überbieten.
Nachdem die Reparatur der Kette  abgeschlossen ist, können die restlichen 100km bis zum Mittelmeer gestartet werden.
Die Strecke von Auron (1.650m) bis nach Nizza führt von den Ausläufern der herben Gebirgslandschaft der Seealpen hinunter zum Mittelmeer. Anfangs wiederum durch enge Täler, vorbei ein steilen Schluchten, hinaus in das flacher werdende Land mit immer dichter werdender Besiedelung. 

Bereits einige Kilometer vor Nizza bilden die vielen Industriegebiete einen herben Kontrast zu der traumhaften und "unberührten" Landschaft der Berge, die wir in den vergangenen Tagen durchquert hatten.
Gegen den Wind, der inzwischen immer stärker vom Meer her weht, und im dichter werdenden Autoverkehr radeln wir hinunter nach Nizza. Auf dem Weg in das Stadtzentrum, in der Nähe des Flughafens, ein kurzer Stop beim Begleitfahrzeug. Badehosen und Handtücher werden aus dem Auto geholt und gemeinsam fahren wir auf der Promenade (Rue de Anglis) die letzten Meter bis zum Badestrand. 

Das türkisfarbene Meer bietet einen überwältigenden Anblick – und so geht es ruck zuck, bis die Radklamotten gegen die Badehosen getauscht sind. Eine herrliche Erfrischung im klaren Wasser des Mittelmeeres und ein Nachmittag am Strand als gelungener Abschluss unserer Radtour 2004.

    -> und wieder einmal hat diese Reise Lust auf mehr (Meer?) gemacht!!!


Einen ganz herzlichen Dank an:

Rainer Booz, der seinen Sharan als Begleitfahrzeug zur Verfügung gestellt hat und der nach der Rückkehr eine Menge zu tun hatte, um das Auto wieder sauber zu bekommen.

Manfred Heinisch, der uns als "Reiseleiter" mit seinen Sprachkenntnissen immer zu einem guten Essen und einem Nachtlager gelotst hat.

Klaus Müller, dem Chef von "Müller Reisen", der uns seinen speziellen Fahrradträger zur Verfügung gestellt hat und uns dadurch einige Montagearbeiten, insbesondere bei den Fahrerwechseln, erspart hat.